Quantencomputer gefährdet IT-Sicherheit
Wann genau ein kommerzieller Quantencomputer zur Verfügung stehen wird, weiss niemand so genau. Die zu erwartende «brachiale» Leistung lässt sich jedoch schon heute abschätzen.
Bereits in den 1980er Jahren wurden die ersten Beschreibungen zu einem Quantencomputer bekannt. Die Funktion beruht dabei auf den Prinzipien der Quantenmechanik. Anstelle der aus der Digitaltechnik bekannten Bits mit den beiden Wertzuständen 0 und 1 nutzt ein Quantencomputer die sogenannten «Qubits». Ein Qubit kann dabei beide Zustände 0 und 1 gleichzeitig annehmen, was die Entwickler als Prinzip der «Superposition» bezeichnen. Um einen Vergleich zu heute verfügbare Supercomputer zu bekommen: Wenn nach heutigen Leistungsstand der stärkste Supercomputer mehrere tausend Jahre für eine komplexe Berechnung benötigen würde, könnte der Quantencomputer dieselbe Berechnung in wenigen Minuten durchführen. Google hatte 2019 mit seinem 54-Bit Quantencomputer «Sycamore» eine extrem komplexe Berechnung durchgeführt, die in 200 Sekunden fertiggestellt werden konnte. Ein heute existierender Supercomputer hätte hierfür wohl 10.000 Jahre oder mehr benötigt. Ob wahr oder nicht zeigt es uns doch recht eindrucksvoll, wohin die Reise geht.
IT-Sicherheit in Gefahr
Mit diesen Leistungsdaten ausgestattet dürfte es auf der Hand liegen, was ein solcher Quantencomputer für die Menschheit bedeutet. Im Bereich der IT-Sicherheit würden hier Dämme brechen, und zwar ab dem Moment der Verfügbar solcher Rechnersysteme. Kein noch so komplexes Passwort im konventionellen Sinne wäre mehr zur Absicherung der Datenbestände geeignet. Heutige Sicherungsverfahren wie beispielsweise AES oder kryptografische Systeme wären nicht mehr effizient genug. Laut Heise würde ein Verbund aus 1 Billion PCs, von denen jeder 1 Billion Passwort-Kombinationen in der Sekunde berechnen könnte, gut 10 Millionen Jahre lang rechnen um ein AES 256-Bit Password entschlüsseln zu können. Der Quantencomputer schafft diese Berechnung in ein paar Minuten. Das sollte nun Anlass genug sein, um über neue Sicherungsmethoden nachzudenken.
Neue Strategien zur Datensicherung
Mit dieser Erkenntnis sollten nun schnellstmöglich neue Strategien in die IT-Infrastruktur einziehen. Jedes Unternehmen. Dass beispielsweise E-Commerce-Plattformen betreibt, Cloud-Systeme verwendet, Electronic-Banking anbietet oder IoT-Systeme hostet muss dann auch schnell handeln. Bisherige Sicherungssysteme und Algorithmen wären bei Verfügbarkeit von Quantencomputer über Nacht vollkommen wertlos. Was wäre aber eine praktikable Vorgehensweise? Wir haben effektive Möglichkeiten für Sie zusammengestellt:
- Die Gefahr erkennen und Strategien entwickeln. Google, IBM, NASA und diverse Universitäten forschen gleichermassen an Quantencomputer. Es wird also über kurz oder lang zu einem evolutionären Durchbruch und damit Erfolg kommen. Es sollte die verbleibende Zeit also sofort genutzt werden.
- Kolaborative Teams bilden und die eigene IT-Struktur auf den Prüfstand stellen. Wo kann angesetzt werden und wie sollte eine Umsetzung ablaufen. Eigene oder externe IT-Spezialisten sollten mit im Team sein, um auch technisch komplexere Fragestellungen mit einflechten zu können.
- Den Data-LifeCycle kritisch begutachten und eine realistische Klassifizierung vornehmen. Es müssen zumeist nicht grundsätzlich alle Daten verschlüsselt und geschützt werden. Was im Datenpool ist relevant genug, um überhaupt archiviert zu werden. Und hieraus muss zusätzlich unterschieden werden, welche Datensegmente überhaupt Sicherheitsrelevant sind und verschlüsselt werden müssen.
- Mögliche Sicherungsmethoden erarbeiten und prüfen. Neben Softwarelösungen wie Algorithmen und Kryptografie könnte auch eine HSM-Lösung sinnvoll sein. Der Einsatz von HSM (Hardware-Sicherheitsmodule) ist ein erster effektiver Quantenschutz zur Datensicherung. Bereits heute werden HSM-Lösungen in Cloudsystemen hocheffektiv eingesetzt.
Fazit
Auch wenn derzeit mit Nachdruck auf beiden Seiten gearbeitet wird, wird das Thema unaufhaltsam und in derzeit noch unabsehbarer Zeit kommen. Die Entwickler sind nahe am Ziel dran, die Sicherheitsthematik steht dabei jedoch noch ganz am Anfang. Einen Aspekt haben wir dabei noch gar nicht beleuchtet: Ein Quantencomputer kann auch ein Segen für die Menschheit bedeuten. KI-Systeme und komplexe Molekularberechnungen könnten damit in Sekundenschnelle agieren und Lösungen in der Technologie und Medizin schaffen. Es wird spannend und anspruchsvoll gleichermassen. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass zum Start der Quantencomputer-Ära auch passende Sicherheitslösungen zur Verfügung stehen werden. Dann wäre das Gleichgewicht wiederhergestellt.
Autor: Volkmar Großwendt [vg]